Zunächst eine kurze Warnung: Es folgt ein sehr detaillierter Bericht meiner
Fehlgeburt.
evtl. nicht für schwache Nerven.
Die Schwangerschaft
Meine gesamte kurze Schwangerschaft war ein einziges Auf und Ab.
Es fing damit an, dass ich im Urlaub 3 Tage im Krankenhaus bleiben musste.
Meine Periode war eine Woche überfällig aber ich hatte noch nicht gewagt einen Test zu machen.
Abends hatte ich Schmerzen die mich sehr an die
Eileiterschwangerschaft erinnerten die ich ein Jahr zuvor gehabt hatte.
Leider waren die Geschäfte schon geschlossen, sodass ich keinen Test kaufen konnte. Daher ging ich vorsichtshalber ins Krankenhaus.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass man mich gleich da behielt.
Im Ultraschall war nichts zu sehen und so erfuhr ich auch erst spät am nächsten Tag, dass ich tatsächlich schwanger war.
Es dauerte 3 Tage bis der HCG auf 1000 angestiegen war und die Ärzte doch noch eine Fruchthöhle fanden. Angeblich war sie aber unrund außerdem lag sie neben einem Hämatom.
Immerhin durfte ich dann nach Hause, wo der Frauenarzt dann einige Tage später doch eine winzige runde Fruchthöhle fand. Ich war erstmal glücklich und hatte wieder Hoffnung.
Dann ein paar Tage später aber war die Fruchthöhle leer und der Arzt sagte das sehe nicht gut aus. Auch die HCG Werte stiegen zwar, aber verdoppelten sich nicht wie es eigentlich sein sollte.
Ich musste wieder warten und schließlich fand er doch noch einen Dottersack und embryonale Anteile in der Fruchthöhle.
Ich beschloss die Schwangerschaft einfach zu genießen, so lang wie sie eben dauern würde.
Trauern und weinen könnte ich auch später noch. Dennoch war die Ungewissheit schwer zu ertragen.
Ich dachte über Zeiten nach als es noch keinen Ultraschall gab.
Da war man in den ersten Wochen einfach glücklich schwanger und musste sich nicht ständig Gedanken machen. Und wenn dann eine Blutung kam dann wusste man, dass es das eben gewesen war. Jedenfalls blieb man von der Ungewissheit, dem Hoffen und Bangen verschont. Insgeheim wünschte ich mir das auch.
Der nächste Ultraschall brachte wieder ein ernüchterndes Ergebnis. Zwar sah alles so aus wie es aussehen sollte aber nicht zu diesem Zeitpunkt.
Rechnerisch war ich in der 10. Woche.
Die Einweisung
Ich bekam die Einweisung ins Krankenhaus und trug sie tagelang mit mir rum, denn ich wollte nicht.
Die Vollnarkose und vor allem das Aufwachen nach der
Bauchspiegelung im letzten Jahr waren mir in keiner guten Erinnerung.
Auch wenn eine Ausschabung ein weitaus kleinerer Eingriff ist, so sträubte sich doch alles in mir dagegen.
Alle Ärzte mit denen ich sprach sagten ich solle die Ausschabung unbedingt machen lassen. Es würde sich entzünden, es würde Wochenlang bluten, ewig dauern bis ich wieder einen normalen Zyklus hätte und wenn nicht alles rauskäme dann müsse ich doch zur Ausschabung. Der Blutverlust könnte immens sein
..usw..
All das musste ich mir anhören und die ganze Zeit fragte ich mich wie die Menschheit und sämtliche Säugetiere blos überleben konnten, all die Jahrmillionen in denen es keine Ausschabungen gab. Denn
Fehlgeburten sind nun wahrlich kein seltenes Phänomen.
Übers Wochenende setzte dann ganz langsam eine Blutung ein, die mit einer ganz leichten Schmierblutung begann.
Mein Frauenarzt war am Montag jedenfalls nicht begeistert davon, dass ich warten wollte und machte mit mir einen weiteren Termin für Donnerstag aus. Die Einweisung hätte ich ja noch. Ich sollte mir überlegen ob ich nicht doch davon Gebrauch machen wolle.
Nachdem alle auf mich eingeredet hatten ich solle unbedingt ins Krankenhaus gehen und ich sogar noch eine Hebamme deswegen angerufen hatte, gab ich nach und mein Mann brachte mich Dienstagmorgen in die Uniklinik.
In der Klinik
Zum Glück untersuchte mich zunächst eine sehr verständnisvolle Ärztin, die aber auch das Standardvorgehen vorschlug. Als ich erklärte, dass ich mit der Narkose nicht gut zurechtkomme schlug sie eine Spinalanästhesie vor, wie ich sie bei dem Kaiserschnitt meines Sohnes vor 8 Jahren hatte.
Aber so eine Spinalanästhesie dauert Stunden und ist mit einem Blasenkatheter verbunden. Für einen Eingriff von 10 Minuten ist das doch recht unverhältnismäßig. Man könnte den Eingriff auch blos mit Schlafmittel machen aber da war sie sich unsicher ob die Schmerzen nicht doch zu arg wären.
Da aber der OP Plan auch ziemlich voll war und ich, wie sie feststellt schon sehr stark bluten würde einigten wir und schließlich darauf, dass ich ein Medikament zur Wehenförderung bekommen sollte und es erstmal so versuchen durfte.
Wenn dies nicht zum Erfolg führen sollte oder noch Reste zurückbleiben würden, würden sie dann abends doch die Ausschabung machen.
So bekam ich ein Zimmer, wurde den üblichen Untersuchungen unterzogen, bekam einen Venenzugang gelegt und das besagte Medikament.
Es handelte sich um eine kleine Kapsel, die ursprünglich für Magengeschwüre eingesetzt wurde. Dann aber entdeckt wurde, dass sie bei Geburten (auch bei normalen) die Wehen fördere.
Erst habe ich noch einen Moment gezögert. Was wenn das Kind doch nicht tot war und ich es jetzt damit raustreibe?
Aber dann rief ich mir die unzähligen Untersuchungen ins Gedächtnis. Nicht mal einen Herzschlag hatten wir je gesehen und schließlich hatte mein Körper schon selber eine starke Blutung erzeugt.
Es war traurig aber eindeutig. Alles was ich jetzt noch tun konnte war meinem Körper zu helfen mein Kind gehen zu lassen.
Also willigte ich ein und schob die Kapsel tief bis vor den Muttermund.
Dann war ich allein. Ohne das explizit gewünscht zu haben hatte man mir ein Einzelzimmer gegeben.
Etwas unangenehm war es, dass man mir einen Toilettenstuhl hinstellte, denn es sollte nichts verloren gehen. Schließlich musste das Gewebe im Anschluss untersucht werden.
Ich zog mir erstmal bequemere Kleidung an und wartete.
Es dauerte eine Weile doch dann begann ich Unterleibskrämpfe zu spüren. Sie waren wie die wenigen Wehen die ich bei der Geburt meines Sohnes vor 8 Jahren hatte. (Wegen fehlender Wehen wurde damals ein Kaiserschnitt gemacht)
Schließlich kamen diese Wehen alle 2 Minuten und wurden so stark, sodass ich sie zeitweise weg atmen musste.
Alles in allem waren sie aber gut auszuhalten.
Der Schmerz tat mir in dem Sinne gut, dass er den Schmerz aus meiner Seele widerspiegelte. Er machte ihn real, begreifbar und half mir immer wieder auch ein paar Tränen fließen zu lassen.
Es fühlte sich gut und richtig an zu Trauen. Es war gut, dass ich weinen konnte.
Immer mal wieder sahen die Schwestern nach mir und nötigten mich schließlich doch ein Schmerzmittel zu nehmen.
Die Wehen förderten immer mehr Blut und Gewebe zu Tage und dann verlor ich etwas wabbeliges weiches, etwa von der Größe einer Kastanie. Ich war mir sicher, dass es die Fruchtblase gewesen war. Ich meinte einen Dottersack und etwas winziges Fleischiges erkennen zu können. Vielleicht mein Baby?
Im Schummerlicht der Toilette konnte ich es nicht gut erkennen und daher sagte ich den Schwestern Bescheid die die Ärztin holen wollten.
Ich wollte es so gerne einmal in echt sehen, nicht nur als schwarzen Schatten im Ultraschall.
Die Ärztin kam und schaute gar nicht richtig. Das Gewebe war inzwischen zwischen die Blutfetzen gesunken und nicht mehr zu sehen. Sie meinte das wäre nichts die Schwestern sollten es wegschütten.
Ich war so perplex, dass ich gar nicht reagieren konnte, da hatten sie es schon im Klo runter gespült und waren von dannen.
Ich war so enttäuscht und sauer und ich war so sicher, dass es die Fruchthöhle mit dem Baby war.
So legte ich mich wieder aufs Bett. Jetzt weinte ich einmal richtig vor Wut und Schmerz und ließ einfach alles raus, während die die Wehen weiter arbeiteten.
Das Schmerzmittel tat seinen Dienst und Schließlich war ich so erschöpft, dass ich sogar einschlief.
Als ich dann vielleicht ein oder zwei Stunden später, wieder erwachte und die Toilette aufsuchte verlor ich einen großen härteren Klumpen.
Das musste die Plazenta sein. Ich meldete es wieder, aber keiner hatte Zeit und so dauerte es. In der Zwischenzeit ließen die Wehen immer mehr nach und auch die Blutung ebbte immer weiter ab.
Ich hatte das Gefühl, dass es das gewesen war, dass ich es geschafft hatte. Ich hatte mein Baby und alles was dazugehörte zur Welt gebracht, auch wenn es winzig und tot war und inzwischen irgendwo in der Kanalisation verschwunden.
Asche zu Asche und Staub zu Staub sagte ich mir. Was mit der sterblichen Hülle passierte war doch egal. Die Erde würde es in irgendeiner Form wieder aufnehmen. So ist der Kreislauf des Lebens. Aber mein Sternchen war nun hochgezogen ins Firmament. So stellte ich es mir vor und sandte ihm meine Tränen nach.
Für mich war es gut und richtig gewesen es so erleben zu dürfen, dabei sein zu dürfen als mein Sternchen mich verließ.
Und ich fühlte mich den Umständen entsprechend gut, geradezu fit und ich war stolz auf meinen Körper und auf mich, dass ich das bei vollem Bewusstsein und ganz allein geschafft hatte.
Die Ärzte
Dann hieß es wieder warten und irgendwann kam ein Assistenzarzt um einen Ultraschall zu machen und evtl. doch noch den empfohlenen Eingriff durchzuführen.
Im Ultraschall war die Gebärmutter wie erwartet leer. Es war ein wenig traurig, erinnerte mich an den Tag unseres Umzugs als wir nochmal durch die leeren Räume der verlassenen Wohnung gegangen sind um Abschied zu nehmen.
Aber in dem Moment konnte ich darüber nicht nachdenken, denn der Assistenzarzt holte erstmal den Oberarzt und dieser meinte am Ultraschall könne man nicht festmachen ob alles raus sei.
Er redete mir nochmal ins Gewissen, dass dies nicht die übliche Vorgehensweise gewesen sei, dass eigentlich eine Ausschabung hätte gemacht werden müssen. Das sei das Standardverfahren
.
Ich kam mir vor wie ein kleines Kind was sich nicht an die Regeln gehalten hatte. Ich sollte mich was schämen!
Dann sagte er jedoch auch, dass er meinen Wusch schon verstanden hatte und wir einigten uns darauf, dass ich die Nacht zur Beobachtung noch bleiben solle, was mir sogar ganz recht war.
Man müsse den HCG Wert kontrollieren und sicher gehen, dass dieser sank.
Außerdem sollte ich mich sofort melden falls die Blutung stärker würde als eine normale Periode oder ich Krämpfe oder Schmerzen bekommen sollte. Damit war ich sehr einverstanden.
Später traf mich die nette Ärztin vom Morgen nochmal auf dem Flur und ich erzählte ihr wie es gelaufen war. Sie konnte verstehen, dass ich es nochmal sehen wollte und ließ sogar nochmal nachsehen ob die Probe mit dem, was ich für die Plazenta hielt noch da war.
Sie sagt, wenn dann kommt alles auf einmal raus und die Fruchthöhle wäre auch dabei. Leider war die Probe aber schon ins Labor geschickt worden.
Außerdem sagte sie, dass die Frauen in anderen Ländern z.B. den Niederlanden oder den Skandinavischen Ländern die Wahl hätten ob sie eine Ausschabung oder einen natürlichen Abgang haben wollten. Nur, in diesen Ländern ist auch die Abtreibungspille erlaubt mit der man dies dann ausführen würde.
Ich bedankte mich nochmal und sie wollte mich am nächsten Morgen dann zum Ultraschall sehen.
Die Nacht verlief ruhig, auch wenn ich nicht gut schlafen konnte weil ich einfach immer noch viel zu aufgeregt war.
Meine Blutung hatte sehr stark abgenommen und beschränkte sich nun auf wenige Tröpfchen. Bis auf gelegentliches leichtes Ziehen hier und dort, ähnlich wie bei normalen Regelschmerzen waren auch die Krämpfe völlig abgeebbt.
Das sieht gut aus sagte die Ärztin dann auch gleich als sie meine leere Gebärmutter schallte.
Ich erfuhr, dass der HCG Wert sich über die Woche mit der beginnenden Blutung bereits von 16.000 auf 8.000 halbiert hatte. Mein Frauenarzt soll in einer Woche den HCG Wert nochmal kontrollieren, dann sollte er weiter ordentlich gesunken sein.
Ich bekam die Entlassungspapiere, eine Krankschreibung für eine Woche und durfte nach Hause gehen.
Jetzt bin ich wieder daheim und merke ganz leicht, dass da eine Wunde in mir ist, sicher nicht nur in meiner Gebärmutter.
Es wird noch einige Tage dauern aber ich spüre wie es heilt. Es ist überstanden, auf eine für mich gute und richtige Weise.
positive Aspekte
Da mein Sohn vor 8 Jahren durch einen Kaiserschnitt auf die Welt kam hatte ich nie das Erlebnis einer normalen Geburt und auch Angst davor.
Doch diese Angst ist ein wenig geschrumpft, denn trotz des traurigen Erlebnisses, auf seine Weise war es eine Geburt. Eine kleine Geburt wie die Hebammen sagen. Und für diese Erfahrung bin ich Dankbar.
Mein Frauenarzt war der Meinung eine Ausschabung würde frau seelisch besser verkraften. Doch das kann ich in meinem Fall nicht bestätigen.
Es hat mir geholfen, dass ich bewusst miterleben durfte wie sich das Gewebe löst und mein Kind meinen Körper verlässt.
Mein Körper hat selbstständig erkannt, dass die Schwangerschaft nicht intakt war und die Blutung eingeleitet. So kann ich sicher sein, dass es keine Hoffnung mehr gab.
Und ich durfte den Tod als ein trauriges aber natürliches Ereignis erleben.
Für all dies bin ich dankbar.
Resümee
Ich würde mir wünschen, dass den Frauen auch in Deutschland die Wahl gelassen wird ob sie eine Ausschabung oder einen natürlichen Abgang wollen. (Natürlich unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls)
Im Internet habe ich gelesen, dass die Risiken sich in beiden Fällen die Waage halten. Es würde mich interessieren ob es eine wissenschaftliche Studie dazu gibt und wenn das der Fall ist, dann spricht doch wirklich nichts dagegen.
außer vielleicht die unterschiedliche Vergütung durch die Krankenkassen?
Und dass ein natürlicher Abgang auch länger dauern kann als eine Ausschabung, bei der man den Zeitpunkt genau planen kann.